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Kolumne «Schweizer Herzfrequenzen»Wie stark ist mein Gerechtigkeits­sinn?

Die Vorstellung, dass Geben und Nehmen einander bedingen, durchzieht als universelles Prinzip seit je die zwischenmenschlichen Beziehungen: Pflegerin hilft einem Mann beim Anziehen.

Wie oft werden Sie von Gerechtigkeitsgedanken getrieben? Erwidern Sie deshalb gerne einen Gefallen, oder fordern Sie ihn ein, wenn Sie einmal in Vorleistung gegangen sind? Und neigen Sie vielleicht auch dazu, Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Wie du mir, so ich dir?

Was meinen Sie: Wie verbreitet sind diese Einstellungen in der Schweiz?

Zunächst: Solche Gedankenspiele folgen oft den Normen der Reziprozität, aus denen sich Verhaltensregeln ableiten lassen. Etwa, dass nützliche oder schädliche Handlungen einer anderen Person in gleicher Weise zurückzuzahlen sind. Unser Gerechtigkeitsempfinden ist nämlich häufig mit der Erwartung verbunden, dass in sozialen Beziehungen die Verteilung von Gütern gerecht erfolgen sollte.

Gefälligkeitsrecycling prägt unsere Abmachungen

Zur Justierung kann dabei sowohl das Moment der Belohnung als auch das der Bestrafung zum Einsatz kommen. Entweder wird eine unvorteilhafte Tat mit einer entsprechenden Unfreundlichkeit abgegolten oder eine schöne Geste wird mit einem ebenso attraktiven Konter beantwortet.

Die Vorstellung, dass Geben und Nehmen einander bedingen, durchzieht als universelles Prinzip seit je die zwischenmenschlichen Beziehungen. Während beispielsweise die Vorstellungen um das alttestamentarische «Auge um Auge, Zahn um Zahn» bereits vor Jahrtausenden in die Stelen des babylonischen Königs Hammurapi (1728–1686 v. Chr.) eingemeisselt wurden, prägt heute das Gefälligkeitsrecycling «Eine Hand wäscht die andere» einen Grossteil unserer Vereinbarungen. Denken wir nur an Umzugshilfen, Essenseinladungen oder auch an gegenseitige Krankenpflege, Kinderbetreuung und Fahrdienste.

Die Bereitschaft, einen Gefallen zu erwidern, steigt in der Schweiz mit dem Alter und der Bildung. Zudem wird sie von Personen als selbstverständlich angesehen, die sich selbst als gewissenhaft, offen und verträglich einschätzen. Während zwischen Männern und Frauen keine Unterschiede festzustellen sind und auch das Einkommen beim Einsatz dieser praktischen Lebensregel keine Rolle spielt, fällt die Zustimmung zu dieser Richtschnur sozialen Verhaltens in der Westschweiz weniger stark aus als im übrigen Land.

Wir glauben, eine gute Tat zahle sich aus

Gut ein Viertel der hiesigen Bevölkerung kann sich aber auch vorstellen, Grobheiten mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Das sind weniger als etwa in Deutschland, Italien oder Frankreich. Wer dennoch einem solchen Vergeltungsgedanken anhängt und zum Beispiel keine Mühe bekundet, Beleidigungen mit Beleidigungen zu beantworten, hat wenig Vertrauen in seine Mitmenschen, fühlt sich generell benachteiligt und steht auch den heimischen Institutionen sehr kritisch gegenüber.

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Jenseits von Recht und Revanche kann ein reziprokes Verhalten aber auch strategisch ausgerichtet sein und kurzfristigen Altruismus mit langfristigem Eigeninteresse verbinden: Ich helfe dir jetzt sehr gerne, erwarte aber von dir, dass du mir in der Zukunft ähnlich zur Seite stehen wirst.

Unabhängig vom Gerechtigkeitsempfinden gibt es in der Schweiz jedoch nicht wenige Menschen, die anderen unter die Arme greifen, ohne dafür eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Vielmehr vertrauen sie darauf, dass andere ihnen bei passender Gelegenheit ebenfalls einen entsprechenden Dienst erweisen werden, falls sie ihn in Zukunft einmal benötigen sollten. Für diese Menschen zahlt sich ihre gute Tat also sowieso irgendwann aus. Mehr als drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer teilen diese optimistische Haltung einer generellen Reziprozität. Deutlich mehr als in anderen Ländern. Gehören Sie auch dazu?