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4 Gründe und eine PrognoseStehplatz für 300 Franken: Warum Konzert­tickets noch teurer werden

US-Superstar Taylor Swift wird im Juli 2024 an zwei Abenden in Zürich auftreten. Die regulären Tickets kosten zwischen rund 170 und 300 Franken.

Elton John, der gerade seine Abschiedstour beendet hat, ist auf Platz eins. Bruttoeinnahmen: über 930 Millionen Dollar. Er wird spätestens 2024 von Taylor Swift abgelöst werden, die mit ihrer «Eras»-Tour über 1,5 Milliarden umsetzen wird. Neu auf Platz vier: Coldplay, die noch unterwegs sind, und auf Platz fünf Harry Styles mit 617 Millionen Dollar aus seiner jüngsten Tour.

Die grossen Stars machen live so viel Geld wie nie. Die lukrativsten Konzertreihen laufen zurzeit oder haben nach Corona stattgefunden.

Die Preise für Tickets sind zugleich so hoch wie nie. Bei den zwei ausverkauften Taylor-Swift-Shows vom kommenden Juli müssen Schweizer Fans für die günstigste Stehplatzkategorie 168 Franken zahlen, Sitzplätze gibts für knapp 300 Franken. Eine Preisrealität, an die sich das hiesige Publikum gewöhnen muss – und die sich längst nicht mehr alle leisten können. Will eine vierköpfige Familie einen Auftritt von Taylor Swift gemeinsam anschauen, kosten allein die Tickets 672 Franken, dazu kommen Anreise, Verpflegung und allfällige Fanartikel.

Warum steigen die Preise für Konzerte immer weiter? Und wer verdient daran am meisten? 

Die Stars

Harry Styles war von September 2021 bis Juli 2023 auf Welttournee. Die 169 Konzerte haben 617 Millionen Dollar eingebracht.

Ein Fakt, der wenig diskutiert wird: Die Künstlerinnen und Künstler treiben die Preise in die Höhe, wie der Deutsche Berthold Seliger, Autor mehrerer Bücher zur Musikbranche und selbst Veranstalter, jüngst in Interviews wiederholt ausgeführt hat. Gerade die Superstars könnten es sich erlauben, günstigere Preise zu verlangen. Dass sie es nicht tun, bedeute, dass sie es nicht wollten, sagt Seliger. Schweizer Veranstalter bestätigen auf Anfrage: Die Ticketpreise sind immer Teil der Vorverhandlung mit dem jeweiligen Act.

Sprich: Die Stars wissen, was ihre Konzerte kosten. Auch wenn ein Management oder eine Agentur für sie die Bedingungen aushandelt. 

«Das Livegeschäft ist keine Wohltätigkeits­organisation», sagt Frank Lenggenhager von Lautstark Music, Marketingexperte und Musikberater aus Bern. Künstlerinnen und Künstler wollen Geld verdienen, und dagegen sei auch nichts einzuwenden – sie kompensieren damit auch die längst weggebrochenen Einnahmen von Tonträgerverkäufen.

Bei grossen Konzerten gehen 90 Prozent der Einnahmen oder gar mehr ans Lager der Acts.

Dabei sind die ganz Grossen in der privilegierten Lage, Forderungen zu stellen. Sie bestimmen nicht nur die Eintrittspreise mit, sondern verdienen auch an den Verkäufen in der Gastronomie mit. Neben der fixen Antrittsgage erhalten sie normalerweise Anteile am Gewinn, sobald Miete und sonstige Kosten gedeckt sind. Je bekannter der Act, desto besser die Deals zugunsten der Künstlerinnen und Künstler.

Bei grossen Konzerten gehen 90 Prozent der Einnahmen oder gar mehr ans Lager der Acts, wie mehrere Veranstalter bekräftigen. Auch hier gilt: Je bekannter der Star, desto grösser sein Anteil. Bei Taylor Swift gehen Schätzungen davon aus, dass die laufende «Eras»-Tour ihr über 500 Millionen Dollar in die persönliche Kasse spült.

Robert Smith von The Cure, hier bei einem Auftritt in Hamburg, nannte die Preisaufschläge von Ticketmaster «widerlich». 

Es gibt in dieser Aufwärtsspirale Beispiele von Musikschaffenden, die auf faire Preise pochen. The Cure etwa haben sich im März bei Ticketmaster beschwert und eine Rückerstattung an die Fans erwirkt, nachdem der US-Anbieter einen saftigen Gebührenaufschlag festgelegt hatte. In der Schweiz bemüht sich gegenwärtig der Mundartmusiker Trauffer, dass seine Shows nicht mehr als 80 Franken kosten. Doch dafür muss er Abstriche machen – bei der Umsetzung oder bei der Gage.

Harry Styles spendet einen Teil seiner Einnahmen, Taylor Swift baut Charity-Aktionen in ihren Tourkalender ein und soll ihrer Crew über 50 Millionen an Boni ausgezahlt haben, unter anderem haben die 50 Lastwagenfahrer je 100’000 Dollar erhalten. Bei Umsätzen von Hunderten Millionen Dollar sind dies aber wenig schmerzhafte Beträge. Sie sorgen für gute Presse, aber nicht einmal für eine Delle im Megabudget.

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Die Bühnenbauer

«Die gestiegenen Produktionskosten sind ein Riesenproblem», sagt der Berner Branchenkenner Frank Lenggenhager. Die Veranstalter würden die Preise nicht willkürlich erhöhen. «Es gibt seit Corona einen krassen Mangel an technischem Material und Fachkräften, in der Schweiz, überall.» Gerade im Bereich der Produktion und des Aufbaus von Bühnen fehlt es an allem, viele sind aus der Branche ausgestiegen.

Das macht die Arbeit derer, die noch da sind, kostspieliger. Caterer, Technikfirmen, die Konzerthallen – alle haben die Preise erhöht, Strom, Mieten und Material sind teurer geworden. Diese Faktoren treiben die Konzertkosten in die Höhe.

Lenggenhager nennt ein Beispiel. «Ein Ostschweizer Veranstalter hat für den Aufbau der Bühne jahrelang 90’000 Franken pro Jahr gezahlt. Jetzt wurde der Deal neu verhandelt, die Offerte belief sich auf 135’000 Franken.» In Deutschland, wo die Inflation höher ist, ist sogar von einer Verdoppelung der Kosten die Rede.

«Die Margen sind eng kalkuliert, gerade im Bereich Kultur.»

Andy Böckli, CEO Nüssli Group

Das weltweit führende Bühnenbau­unternehmen kommt aus der Schweiz. Die Nüssli Group mit Hauptsitz im Kanton Thurgau hat im vergangenen Jahr die Infrastruktur für rund 100 Konzerte aufgebaut, total war sie bei 1450 Events involviert, auch in den Bereichen Sport und Wirtschaft. Die Firma wird für Grossanlässe wie die Helene-Fischer-Shows, aber auch für kleinere Open Airs in den Schweizer Bergen engagiert.

Vom Schwingfest bis zum Open Air Frauenfeld (im Bild): Die Schweizer Firma Nüssli ist weltweit führend im Temporärbau und setzte 2022 über 1400 Events um. «Wir spüren den Fachkräftemangel», sagt der CEO.

Bei Nüssli spürt man den Fachkräftemangel, «insbesondere bei den sehr qualifizierten Handwerkern», sagt CEO Andy Böckli. Man komme den Angestellten mit Flexibilität, unbezahltem Urlaub oder Weiterbildungen entgegen. Die Auftragsbücher seien gut gefüllt, doch der Preisdruck ist hoch. «Die Margen sind eng kalkuliert, gerade im Bereich Kultur. Wir sind entsprechend gezwungen, die gestiegenen Materialkosten an unsere Kunden weiterzugeben.» Und die Veranstalter versuchen dies in den Ticketpreisen aufzufangen.

Die Veranstalter

Wenn eine Band oder eine Künstlerin von Weltformat auf Tournee geht, verantwortet meist eine Agentur die Konzerte global. Bei jedem Auftritt kommt dann ein lokaler Veranstalter dazu, der sich konkret um die Umsetzung vor Ort kümmert. Die regionalen Player hätten zum Teil «erstaunlich geringe» Anteile an Shows der Topacts, sagt Frank Lenggenhager. In der Regel handle es sich um eine Pauschale von «ein paar Zehntausend Franken».

«Wenn die Konzertbranche eine sichere Branche wäre, wären alle Multimillionäre.»

Frank Lenggenhager, Lautstark Music

Manchmal werden Territorien aber auch weiterverkauft. Beispiel: Die Konzertagentur eines US-Stars verkauft die Daten für den deutschsprachigen Raum an einen deutschen Veranstalter, der auf eigenes Risiko den Event umsetzt. Meist braucht es eine Auslastung von circa 80 Prozent, damit die Veranstalter überhaupt etwas verdienen. Während manche jetzt Verluste aus der Corona-Zeit wettmachen wollen, versuchen andere, schlicht zu überleben.

«Wenn die Konzertbranche eine sichere Branche wäre, wären alle Multimillionäre. So ist es aber nicht. Es sind sehr, sehr wenige Veranstalter, die viel verdienen, in der Schweiz erst recht, da sind es zwei, drei.» Sie gehen gemäss Lenggenhager ein erhebliches Risiko ein. «Ein einziges grosses Konzert, das in die Hose geht, kann den Konkurs bedeuten, wenn es blöd läuft.» Versicherungen gebe es, doch die seien so teuer, dass sie sich niemand leisten wolle.

Die Ticketanbieter

Grössere Margen haben die Ticketanbieter. Branchenbeobachter wie Berthold Seliger gehen davon aus, dass jeweils zwischen 5 und 10 Prozent auf den tatsächlichen Preis draufgeschlagen werden. Ticketcorner sagt dazu: «Aufgrund unterschiedlicher Partnerschaftsmodelle gibt es keinen Standard-Richtwert.»

Im Geschäftsbericht von 2022 schrieb der US-Konzern Live Nation, dass die Gewinnmarge bei Konzerten lediglich 1,3 Prozent betrug, im Ticketing aber 37 Prozent. Auch der deutsche Konkurrent CTS Eventim weist ähnliche Zahlen für 2022 aus: Der Gewinn im Konzertgeschäft belief sich auf 8,2 Prozent, im Ticketing auf 48,6 Prozent. Der Schweizer Markt zählt hierbei zu den Haupt­wachstums­treibern.

Den tourenden Künstlern sei auch die Kaufkraft in der Schweiz bewusst. Das Land habe den Ruf, dass man hier höhere Preise verlangen könne, berichten Veranstalter. Nirgends kosten die Taylor-Swift-Tickets mehr als hierzulande. In der Schweiz werden auch besonders hohe Gagen bezahlt, das beginnt schon bei den kleinen Konzerten.

«In digitalen Zeiten gilt: Was du live erleben kannst, erhält einen besonderen Wert.»

Frank Lenggenhager, Lautstark Music

Die beiden Platzhirsche Live Nation und CTS Eventim bestimmen das Geschäft in der Schweiz mehr und mehr. Live Nation besitzt Ticketmaster und ist zum Beispiel am Open Air Frauenfeld und an vielen Grosskonzerten beteiligt, CTS Eventim am Marktführer Ticketcorner und am grössten Veranstalter Gadget. Die internationalen Riesen haben den Wettbewerbsvorteil, dass sie nicht mit allen Konzerten rentabel sein müssen, da sie sich quersubventionieren können und bei den Tickets und im Ausland teilweise bei den Stadionmieten mitverdienen.

Die Zukunft

Live-Gigantismus, der viel kostet: Für Beyoncé hätte der Anbieter achtmal mehr Tickets verkaufen können, als verfügbar waren.

Der Konzertmarkt ist seit Corona übersättigt, es finden zu viele Konzerte statt, der Konkurrenzkampf zwischen den beiden grossen Firmen spitzt sich zu. Sie versuchen sich gegenseitig Publikum abzujagen. Es wäre vor Jahren in der Schweiz nicht denkbar gewesen, dass ein Act wie Muse am Eröffnungstag des Gurtenfestivals nur wenige Kilometer entfernt auftritt, sagt Frank Lenggenhager.

Während sich Fans die Superstars nicht entgehen lassen, wird es für kleinere Festivals und weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler schwieriger. «In digitalen Zeiten gilt: Was du live erleben kannst, erhält einen besonderen Wert. Die ganz grossen Acts können sich hohe Preise leisten. Sie haben den Namen, sie sind ein Premiumprodukt. Dafür zahlt man gern etwas», sagt Lenggenhager. Tiefe Preise würden auch der Marke schaden.

«Musikfans werden in der Schweiz 300 Franken zahlen müssen für eine Topshow.»

Frank Lenggenhager, Lautstark Music

Für Lenggenhager ist klar, in welche Richtung es bei den Preisen geht. Sie steigen weiter. «Die Prognose gibt es schon länger: Musikfans werden in der Schweiz 300 Franken zahlen müssen für eine Topshow, für einen Stehplatz

Die Nachfrage für Tickets übersteigt das Angebot massiv, für Taylor Swift hätte das Letzigrundstadion gemäss Ticketcorner «x-fach» ausverkauft werden können. Für Beyoncés Nordamerika-Shows lag die Nachfrage um 800 Prozent über den tatsächlich verfügbaren Tickets, wie der Anbieter vermeldete. Gleichzeitig dürften Konzerte von Nachwuchsbands günstiger werden, da sie froh sein müssen, wenn sie angesichts von Überangebot und schwindenden Auftrittsmöglichkeiten überhaupt spielen können.

Lenggenhager sieht die mittelgrossen Veranstaltungen besonders gefährdet, Festivals und Konzerte mit 5000 bis 8000 Leuten pro Tag. «Den nächsten Sommer dürften einige nicht überleben.»

Zumal: Eine Umfrage eines unabhängigen Schweizer Veranstalters hat 2018 ergeben, dass für Konzertbesucherinnen die Schmerzgrenze bei rund 100 Franken liegt. Im Schnitt würden die meisten Personen zudem nur ein bis zwei Konzerte pro Jahr besuchen. Wer sich in Zukunft also einen der teuren, begehrten Auftritte der Weltkaliber gönnt, wird ein zweites Konzert womöglich eher sausen lassen.