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Netflix-Film über Pamela AndersonSie sagt deutlich öfter «Fuck» als Harry und Meghan

Pamela Anderson bei der U.S.-Premiere des «Baywatch»-Kinofilms 2017.

Das erste Trauma ihres Lebens habe ihr die Babysitterin zugefügt, sagt Pamela Anderson. Ihre Eltern hätten die junge Frau toll gefunden, weil sie immer kleine Geschenke für die Kinder dabeihatte. Aber die Babysitterin habe sie «drei oder vier Jahre lang» missbraucht. Was genau passiert ist, beschreibt sie nicht, nur dass sie ihren kleinen Bruder habe beschützen wollen und davon geträumt habe, die Frau umzubringen, indem sie ihr einen Stift ins Herz rammt. Die Fantasie wurde indirekt wahr: Die Babysitterin starb bei einem Autounfall – und die kleine Pam fühlte sich dafür verantwortlich.

Der Film «Pamela: Eine Liebesgeschichte», der am 31. Januar bei Netflix startet, ist Teil eines konzertierten Mediengrossangriffs, den die 55-Jährige startet, um die Deutungshoheit über ihre Biografie zurückzugewinnen, wie sie es beschreibt. Am selben Tag wie der Film erscheint auch ihre Autobiografie «Love, Pamela» beim New Yorker Grossverlag Harper Collins. Wie es Prinz Harry soeben erst vorgemacht hat, ebenfalls mit einer Netflix-Produktion und einem Buch, teilt Pamela Anderson ihre Enthüllungen ein bisschen zwischen den beiden Formaten auf. Im Buch, so berichten es US-Medien vorab, wirft sie unter anderem dem Komiker Tim Allen vor, ihr am Set der Sitcom «Hör mal, wer da hämmert» 1991 ungefragt seinen Penis gezeigt zu haben.

Pamela Anderson: Love, Pamela. Headline Book, 256 S., ca. 39 Fr. Erscheint am 31. Januar 2023.

Aber auch im Film, den Netflix Journalisten nun schon ein paar Tage vor dem Start zur Sichtung zur Verfügung gestellt hat, erzählt sie viel über Missbrauch. Die Geschichte mit der Babysitterin sei nur der erste Schock gewesen. Etwas später, mit zwölf, sei sie mit einer Freundin, die in einen erwachsenen Mann verliebt gewesen sei, zu ihm und dessen Kumpel gegangen. Dieser Freund, damals 25, habe mit ihr Backgammon gespielt, gesagt, sie sehe aus, als könne sie eine Massage vertragen – und sie dann vergewaltigt.

Anderson, Jahrgang 1967, wuchs in der kanadischen Kleinstadt Ladysmith auf Vancouver Island auf, wo sie heute teils wieder lebt. Der Vater sei ein Alkoholiker und «bad boy» gewesen, die Mutter habe ihn mehrfach verlassen, sei aber immer wieder zurückgekehrt. Als sie mit Pamela schwanger war, baute der Vater einen Autounfall, die Mutter flog durch die Windschutzscheibe. «Wir sagen immer, dass ich deshalb etwas verrückt bin», erklärt Pamela Anderson.

Nach der Schule zog sie nach Vancouver, ein Job als Modell für eine Bierwerbung brachte ihr ein Fotoshooting für den Playboy ein. Dafür ging sie nach Los Angeles und blieb. Sie habe sich nie als schön empfunden und die Aufnahmen als grosse Befreiung erlebt, als «ein Tor zu einer anderen Welt». Es folgte der Riesenerfolg mit der Serie «Baywatch». Eine Arbeit, die ihr sehr gut gefallen habe, «immer am Strand oder im Wasser». Und wenn mal nicht genug Möwen durchs Bild geflogen seien, habe ein Mitarbeiter Cracker in die Luft schiessen müssen, um sie anzulocken.

Die US-amerikanische Schauspielerin Pamela Anderson spielte die Rolle einer Rettungsschwimmerin C.J. Parker in der Fernsehserie «Baywatch», Aufnahme von 1995.

Einerseits ist «Pamela: Eine Liebesgeschichte» natürlich ein weiterer Beitrag in der länger werdenden Liste von Promi-Imagefilmen bei Netflix, die man nur noch bedingt mit dem Label «Dokumentarfilm» versehen kann. Die Agenda wird vom jeweiligen Superstar-Protagonisten diktiert und von den Filmemachern kaum bis gar nicht hinterfragt, siehe «Harry & Meghan». Auch Pamela Anderson präsentiert sich wohlinszeniert als an ihren Krisen gewachsene Frau: Wir sehen Pamela mit einem Korb voller Blumen übers sommerliche Feld spazieren, während die Hunde um sie herumtollen. Oder mit Strohhut auf dem Rasenmäher die Wiese hinter ihrem Elternhaus mähen. Für die Interviews tritt sie mit perfekt auf «Gerade aus dem Bett» gestyltem Wuschelhaarlook vor die Kamera. Natürlich ungeschminkt, um zu betonen, dass hier nichts als die ungeschminkte Wahrheit berichtet wird. Auf einem Tisch neben ihr liegt einmal ein recht originalverpackt aussehender Band von Rainer Maria Rilke.

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Unverblümt und selbstironisch

Wie in vielen anderen Filmen dieser Art werden ihre Aussagen auch nur sehr wenig (teils auch gar nicht) von den Filmemachern überprüft durch neue Interviews mit anderen Beteiligten ihres wilden Lebens. Nur ihre beiden Söhne Brandon und Dylan und ihre Eltern erzählen ein bisschen aus dem Leben der berühmten Mutter/Tochter, das restliche Zusatzmaterial stammt aus dem Archiv. Bei manchen Szenen bleibt man fast schon sprachlos zurück, weil man es nicht fassen kann, dass die Verantwortlichen nicht mehr daraus gemacht haben. Über ihren direkten Kontakt zu Wladimir Putin, den sie als Peta-Aktivistin erfolgreich anging, den Import von Robbenfell zu verbieten, hätte man zum Beispiel gern noch mehr erfahren.

Der Regisseur Ryan White, durchaus dokumentarfilmerfahren und preisnominiert, hat aber immerhin den Vorteil, dass seine Protagonistin deutlicher öfter «Fuck» sagt und über Sex und Drogen redet als beispielsweise Harry und Gemahlin Meghan. Nach deren Netflix-Serie konnte man sich nicht mal mehr sicher sein, ob die beiden überhaupt aufs Klo gehen oder solche irdischen Unannehmlichkeiten schon überwunden haben.

Pamela Anderson ist eine unverblümte Erzählerin ihrer Biografie, durchaus auch mit Selbstironie («Meine Brüste hatten eine Karriere, und ich hing dran»). Sie kann aber auch gekonnt den brutalen Sexismus der Neunzigerjahre beschreiben, die zwar sehr aufgeklärt taten, aber letztlich doch sehr nah an den Fünfzigern waren. Jahrelang habe sie sich von Männern in Talkshows zu ihren Brüsten befragen lassen müssen, es sei «demütigend» gewesen. Und als durch einen Diebstahl erotische Aufnahmen von ihr und ihrem damaligen Mann Tommy Lee, Schlagzeuger der Metal-Band Mötley Crüe, an die Öffentlichkeit kamen, sei ihr sofort klar gewesen: «Meine Karriere ist vorbei.»

Musiker Tommy Lee and Pamela Anderson 2005 bei einem NBA-Basketballspiel.

Eigentlich habe sie damals gedacht, paparazzimässig schon alles erlebt zu haben, aber mit dem berüchtigten «Sextape» sei es erst richtig losgegangen. Die digital aufbereitete VHS-Kassette wurde zum ersten viralen Video der Internetgeschichte. Als das Ehepaar Lee/Anderson die «Internet Entertainment Group» wegen der Verbreitung verklagte, seien deren Anwälte in den Anhörungen schamlos über sie hergefallen. Das Argument der Juristen: Sie habe ihr Recht auf Privatsphäre verwirkt, weil sie sich zuvor für den Playboy ausgezogen habe.

«Das war wie die Vergewaltigung damals als Kind», sagt Pamela Anderson. «Es hat sich ganz genauso angefühlt.» Deshalb war sie auch stinksauer über die Fiktionalisierung dieses Traumas in der Hulu/Disney+-Serie «Pam & Tommy» vergangenes Jahr. «Davon kriege ich Albträume», sagt sie über diese Sendung. Weil Netflix-Promi-Formate aber immer ein Happy End brauchen, darf man ihr danach noch ein Weilchen bei den Proben für das Musical «Chicago» am Broadway zusehen.

Pamela: A Love Story, USA 2023 – Regie: Ryan White. Mit: Pamela Anderson, Brandon Lee, Dylan Lee. Netflix, 112 Minuten. Streaming-Start: 31. Januar 2023.