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Fair und klimafreundlichSo schmeckt die neue Labor-Schokolade

ZHAW-Absolventen haben mit ihrem Start-up Food Brewer Schokolade im Labor entwickelt.

Noch nie haben sich Menschen hierzulande so viele Gedanken über ihre Ernährung gemacht wie heute. Wer das auf die Spitze treibt, weiss, welcher Bauer das Rüebli angebaut hat. Wie die Kuh hiess, von der das Ragout stammt. Wie die Rebe gepflegt wurde, aus der der Wein stammt.

Bei Schokolade allerdings drücken viele ein Auge zu, dabei ist die süsse Sünde alles andere als «Clean Eating». Angebaut wird die Kakaobohne in tropischen Ländern unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, die Pflanzen wachsen auf Böden, die von Pestizid- und Schwermetall belastet sind. Und dann sind da noch die Transportwege, der Klimawandel und die Kinderarbeit

Gebraute Schokolade aus dem Zürcher Labor

In Horgen am Zürichsee tüfteln 16 Mitarbeitende des Start-ups Food Brewer an einer Lösung: Schokolade aus dem Labor. 2022 haben Géraldine Gubser und fünf weitere Personen das Unternehmen gegründet. Ihre Mission: In-vitro-Kakao. Ihre Konkurrenz: zwei Firmen weltweit. Ihr Markteintritt: unklar, denn die Zulassung hat noch niemand.

Die dunklen Pralinés liegen auf dem Tisch. Ich stecke eine – noch bevor der Kaffee eintrifft – in den Mund. Als Géraldine Gubser mit den Tassen zurückkommt, schaut sie geschockt. «Ich hätte mein obligates Sprüchlein aufsagen müssen, dass es auf eigenes Risiko ist, die Schokolade zu probieren.» Denn diese Schokolade ist vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit noch nicht bewilligt. Die Food Brewer nennen sie nicht Labor-Schoggi, sondern gebraute Schokolade. Die Prozesse bei dieser Produktion gleichen jenen beim Brauen von Bier und Wein.

Mit Aromen spielen auch die Food Brewer, primär Adriana Gallego, die die Forschungsabteilung leitet. Noch geschieht dies nicht in einer Produktionsstätte mit riesigen Bioreaktoren, sondern im überschaubaren Labor.

Ihre Spielwiese ist das Labor: Adriana Gallego, Géraldine Gubser (Mitgründerin) und Barbara Darwich (COO).

Gallego erinnert sich an die ersten Degustationen der Schokolade, damals war das Mundgefühl noch nicht rund. Besser gefallen ihr nun die Textur und der Schmelz. Weil nur 20 Prozent Kakaopulver in der Schokolade drin sei, sei diese nicht so fettreich. «Die Kakaobutter ersetzen wir mit einem Öl, das wir aus Mikroalgen gewinnen.»

Im Labor stehen Bioreaktoren mit einer grünen Flüssigkeit: die Mikroalgen, die für den Fettanteil sorgen sollen. «Hier in der Küche kochen wir die Suppe, die aus Mineralien und natürlichen Zutaten besteht. Dies ist das Futter für die Kakaozellen.»

Mikroalgen ersetzen die Kakaobutter und sorgen für den Schmelz. Während des Prozesses werden die Algen entfärbt.

Der Grundstoff wird aus der Kakaobohne gewonnen. Diese wird verletzt, danach wachsen dort neue Zellen, der sogenannte Schorf. Adriana Gallego zeigt Gläser, die in einem Schüttler hin- und herschaukeln. Bewegt sich die Flüssigkeit, sinken die Zellen nicht ab und bekommen Sauerstoff. Die Flüssigkeit mit Mineralien und den Mikroalgen ist die Nahrung für die Zellen. «Wir geben den Zellen eine perfekte Umgebung, in der sie keine Konkurrenz haben und optimal wachsen können», sagt Gallego.

Weniger Abfall, mehr Ernten

Warum sollte man Kakao im Labor vermehren? Bis eine Kakaopflanze überhaupt die erste Ernte abwirft, dauert es 5 Jahre. «Wir haben diese Zeit auf 6 Monate verkürzen können», sagt Adriana Gallego. Und dieser Prozess könne ohne Pausen repetiert werden, ganz anders in der Natur: Pro Jahr gibt es eine einzige Ernte, insgesamt nur 15 Ernten pro Pflanze, bis sie absterben.

Aus diesen Zellen wird in 6 Monaten Schokolade geerntet.

Zudem soll mit Labor-Schoggi Food-Waste vermieden werden: Ein Viertel der Bohnenernte besteht den Qualitätstest in den Herkunftsländern nicht. Auch rund 12 Prozent des verbleibenden Gewichts sind unverwertbare Schalen. Und: Beim Trocknen sind die Bohnen der tropischen Sonne, aber auch Tieren und anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt.

Nicht zuletzt kämpfen die Bauern dort mit Sorgen: «Auf der einen Seite gibt es ein geringes Angebot, aber eine wachsende Nachfrage auf dem Kakaomarkt, und auf der anderen Seite besteht der Bedarf an nachhaltigen Arbeitsplätzen für künftige Generationen», weiss Adriana Gallego.

Novel Food wie Chiasamen

Wie schmeckt die In-vitro-Schoggi denn nun? Sie besteht aus 70 Prozent unfermentiertem Kakao. Deshalb schmeckt sie fruchtig. Biss und Schmelz sind mit einer Backschokolade zu vergleichen. Der Beigeschmack lässt sich nur schwer definieren. Die Expertinnen helfen nach: «Physalis, Himbeere und Brombeere.»

Nur drei Firmen weltweit forschen an der Laborschokolade.

Noch sind die Food Brewer nicht so weit, um ihr Dossier beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen einzureichen. Nächstes Jahr soll dies der Fall sein, und sie hoffen auf einen Markteintritt im Jahr 2027. Die Zellkulturschokolade ist ein sogenannter Novel Food, der ein Bewilligungsverfahren benötigt. Novel Foods waren einst auch Chiasamen, Baobab-Früchte oder Insekten.